Montag, 7. Februar 2011

Füße

Füße sind für uns noch selbstverständlicher als die sprichwörtlichen Für- und Vorsorgeaufwendigen „Herz und Nieren“. Selbst die Hände dürfen sich mal schneiden, abgebrochene Nägel haben oder gar gebrochen sein. Die Füße jedoch, obwohl sie kaum größer als die Hände sind, müssen die Last unseres Lebens tragen.
Sei es in „guten Zeiten“ per Druck auf das Gaspedal oder in schlechten Zeiten in Form eines langen Marsches mit schwerem Gepäck auf dem Flüchtlingstreck. Knie- und Hüftgelenk dürfen da schon mal versagen. Aber die kleinen Knöchelchen unterhalb des Sprunggelenkes sollen sich ja wagen!

Wie viel einem die eigenen Füße bedeuten können, kann man nach längerer, Krankheitsbedingter Lauf- und Gehpause gut erkennen. Jetzt wird plötzlich jeder Schritt zu einem Geschenk dieser Welt! Balance-Übungen und "Quälereien" von Physiotherapeuten bedeuten plötzlich Sinnhaftigkeit für das Dasein.

So erging es zumindest mir im Zuge und während der Nachsorge einer Sprunggelenks-OP. Noch glücklicher war ich, als ich feststellen konnte, dass ich ein Jahr später problemlos die Wanderung auf dem Jakobsweg aufnehmen konnte. Enttäuscht war ich aber auch darüber, dass mir meine Füße unterwegs mitteilten, dass ich ihre Gesundung viel zu schnell als gegeben hinnahm.
Teuflische Schmerzen bei totaler innerer Zufriedenheit!
Blasen jeglicher Größe und Entzündungsintensität waren daraufhin ein neues Thema, mit dem ich mich abfinden musste. Abfinden, so lernte ich bei dieser Gelegenheit, bedeutet auch, Chancen zu erkennen. Letztlich lehrten mich meine lahmenden, blutenden Füße, dass ich nicht mich bewegen muss, um mit der Außenwelt in Kontakt zu bleiben sondern mich auf meinen innerlichen Rhythmus verlassen darf. Denn dieser bestimmt mein Leben und läuft, so Gott will, synchron zu dem Rhythmus der Menschen, deren Nähe für mein Leben von Wichtigkeit ist. Laufen bedeutet also für mich auch, dass ich lerne, mich mit meinem Körper und somit mit meinem Schicksal im Einklang zu bewegen. In einem Raum, wohlgemerkt, der mutlidimensional aus Geographie, Zeit, Erfahrung, Kontakt, Konflikt, innerlicher und äußerlicher Ruhe und Unruhe besteht. Plötzlich war der Kontakt zu meinen Mitmenschen viel mehr wert als der messbare Erfolg. Aber auch der Kontakt zu mir brachte mir Freude. Ich lernte mich so selber schätzen und lieben. Mit der Folge, dass ich jetzt nach der Wanderung auf dem Jakobsweg mit Zufriedenheit meinen eigenen Wert wahrnehme, dadurch für mich und Andere authentischer und somit wertvoller bin.

Wenn mich also ein Arzt beim nächsten Check-Up auf Herz und Nieren testen will, so ist das für einen rein mechanisch-medizinischen Statusbericht sicherlich sehr interessant. Wenn mir aber meine Füße sagen „Lauf!“ oder „Bleib!“, weiß ich, dass sie damit nicht nur meine Ortsveränderung meinen, sondern auch darauf Wert legen, dass ich mich so bewege, dass mich bedrückende, belastende, hetzende Zustände auf keinen Fall meine Gesundheit gefährden. Die Signale meiner Füße und meines ganzen Körpers sind mir dadurch so wichtig geworden, dass ich nunmehr kaum noch an Dingen erkranke, über deren Vorboten ich mich früher brutal hinweggesetzt habe. Denn das hatte ich getan, als ich glaubte, den unglaublichen Erfolgsdruck meines Kameraden auf den ersten Kilometern unserer ursprünglich geplanten Radtour nach Santiago de Compostela aushalten zu müssen. Drei Tage lang hielt ich es durch, ignorierte taube Finger und zunehmende Nackenschmerzen. Danach brach ich ab, fuhr nach Hause, packte um und nahm den Jakobsweg in Pamplona per Pedes wieder auf. Die Finger und der Nacken teilen mir immer noch mit, dass ich niemals mehr auf die Idee kommen dürfe, meine Seele und meinen Körper derart zu betrügen. Aber diese Schmerzen sind für mich Anzeichen dafür, dass ich erkannt habe, wie wichtig es ist, die guten Signale einer unguten Information zu erkennen. Sei es auch nur, um endlich das zu tun, was sich meine Seele schon lange von mir wünscht.

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